
Foto: Susanne Menke
Frischer geht’s nicht: ab Hof einzukaufen, das ist in der Lüneburger Heide fast in jedem Ort möglich. Da gibt es in der Regel alles, was der Hofbesitzer auf seinen Feldern anbaut, vielfach Kartoffeln und Eier sowie Saisonales.
Einige Heidjer aber haben auch für sich eine Nische entdeckt. So wurden klassische landwirtschaftliche Betriebe weiterentwickelt zum Anbau von Spezialitäten. Teils lebt der ganze Betrieb von und mit diesem einen Produkt, teils ist es eine Ergänzung.
Eine Geschichte über Heidjer, die neue Wege in der Landwirtschaft gefunden haben – und besondere Hofläden entwickelten.
Gelernt hat sie seinerzeit Maler- und Lackierin, hat sogar ihren Meister in diesem Männermetier gemacht, und als sie den Hof ihrer Eltern übernahm und erst einmal alle Flächen verpachtete, da haben sie alle gelacht und gesagt: Vielleicht macht sie ja doch nochmal irgendwann Landwirtschaft, die Susanne.
Tatsächlich, ungefähr zwei Jahrzehnte später macht Susanne Menke aus Dannhorn bei Soltau im Zentrum der Lüneburger Heide wieder Landwirtschaft, aber doch wohl etwas anders, als ihre Eltern es vielleicht damals im Kopf hatten. Sie baut Chili-Pflanzen an, direkt hinterm Wohngebäude auf ungefähr 500 Quadratmetern und in einem Treibhaus am Gartenrand. Und zur Anzucht sogar erst einmal in der Wohnung. Im Hofladen der ➔ Chilli Manufaktur Sacred Heart reiht sich Scharfes an Fruchtiges und Grünes an Knallrotes. Es gibt als Basis eine wichtige Zutat, und das ist Chili.
Chili-Produkte ab Hof

Foto: Petra Reinken
Schuld am Chili-Boom in Dannhorn ist Ryan, der frühere Partner von Susanne Menke, und die Tatsache, dass er keine Butter mag. Nun hätte er sein Brot auch ohne diesen Belag gegessen, doch Susanne Menke fand, da fehle etwas. Sie tüftelte mit Gartengemüse und Chili und „erfand“ so ihren ersten auf Chili basierenden Brotaufstrich. Der schmeckte nicht nur ihrem Freund sondern auch seinen damaligen Arbeitskollegen. Und spätestens, als sich die ersten seiner Kunden für die Paste interessierten, wurde daraus eine Geschäftsidee. Das war ungefähr 2011.
Allerdings – ein ausgeklügeltes Marketingkonzept stand nicht dahinter: „Ich habe halt immer mehr angepflanzt und mir dann überlegt, was ich damit kochen kann“, meint Susanne Menke. Zu der Zeit war sie noch anderweitig berufstätig, aber nutzte die Gunst der Stunde, als sie beim Spargelbauern gegenüber einen Stand auf einem Hoffest machen konnte. „Es kam halt eines zum anderen. Ich bin zu immer mehr Märkten gefahren, hab den Hofladen eingerichtet, und dass wir jetzt ➔ Hofführungen machen, das hat mit den Landfrauen angefangen.“
Genau, der Hofladen – natürlich von Handwerkerin Susanne Menke selbst entworfen und eingerichtet – ist Teil der Führungen, die auch eine kleine Verköstigung und Kuchen im Glas beinhalten. Den Raum dafür, wie sollte es anders sein, hat die „Do it Yourself“-Frau auch selbst kreiert, gestaltet und eingerichtet. Im Laden stehen zu den Öffnungszeiten immer ein paar Probierportionen verschiedener Chiliprodukte bereit.
Beim ➔ Hoffest, immer am dritten Samstag im Juni, können die Gäste alle Produkte probieren. Und die Palette ist vielfältig: Von herzhaftem Brotaufstrich über fruchtige Marmeladen, die „ein wenig nachschmecken“ bis zu Dips als Beilage für Fisch, Pute oder Käse. Weiter geht’s mit Chili-Öl, Chili-Pasten, Chili-Salz, Chili-Saucen, Chili-Senf. Was wozu gut schmeckt, weiß Susanne Menke inzwischen durch unermüdliches Ausprobieren. Auch Kräuterprodukte sind im Angebot, aber die wenigen Gläschen mit grünem Inhalt täuschen nicht darüber hinweg, dass hier eine Zutat alles dominiert.
Die Mitvierzigerin ist immer noch mit viel Herz bei der Sache – und zwar im Feld, in der Küche und bei den Führungen. Irgendwo anders noch arbeiten zu gehen, ist längst nicht mehr drin – und Susanne Menke macht nicht den Eindruck, als würde ihr das leidtun. Sie schwärmt auch am heimischen Tisch weiterhin für Chili, allerdings nicht für die ganz scharfen. „Die esse ich nicht, außerdem brauchen die scharfen lange zum Abreifen und müssen darum die ganze Wachstumszeit im Tunnel bleiben“, erklärt die Dannhornerin, die ansonsten selbst in so nördlichen Gefilden wie der Lüneburger Heide die Chilipflanzen auch im Freiland groß bekommt. In diesem Jahr hat sie aber doch drei ganz scharfe Sorten ausgesät, weil die „auf den Märkten halt nachgefragt werden.“ Zehn Sorten hat sie insgesamt, das macht summa summarum rund 1.300 Pflanzen. Jede Menge Arbeit – aber was soll’s, wenn der (Hof)Laden läuft?
Kartoffeln außergewöhnlich
Ein sicherlich geläufigeres Produkt, aber dann doch wieder etwas Besonderes, verkauft Biobauer Karsten Ellenberg in seinem Hofladen in Barum bei Bad Bevensen im Osten der Lüneburger Heide: Kartoffeln, aber nicht irgendwelche. Bei Ellenbergs sind die Kartoffeln nicht nur gelb, sondern auch rosa, lila oder zweifarbig Sie heißen „Blaue Anneliese“, „Skerry Blue“ oder schlicht „Rosemarie“. Bioland-Landwirt Ellenberg züchtet Sorten wie diese, die sich durch eine große Farben- und Geschmacksvielfalt auszeichnen.

Foto: Petra Reinken
Im Kartoffelladen in Barum schneiden die Mitarbeiter die Erdknollen gerne durch, um zu beweisen, dass Kartoffeln nicht gelb sein müssen. Wer beim Kochen also gerne experimentiert, seinen Kartoffelsalat mal farblich auffrischen will, der bekommt hier die Basis dafür. Jede Kartoffel hat ihren eigenen Geschmack, der mal als cremig, würzig oder speckig zu benennen ist.
Ellenberg, der vor einigen Jahren selbst an vorderster Stelle dafür kämpfte, dass die Kartoffelsorte Linda wieder eine Sortenzulassung in Deutschland bekam, züchtet Kartoffeln für den biologischen Anbau und stellt sie als Pflanzgut bereit. Er möchte die Vielfalt der leckeren Kulturpflanze erhalten, die in der industriellen Landwirtschaft der heutigen Zeit zu verschwinden droht. Im Laden gibt es rund 30 Sorten, aus denen die Kunden auswählen können.
Heidelbeeren mit Tradition
Auf das Produkt spezialisiert, mit dem sie sich mutmaßlich am besten auskennen, haben sich auch Christina Badenhop und ihr Team: Die Inhaberin von Heermanns Blaubeerland betreibt eine Heidelbeeranlage in Grethem zwischen Walsrode und Schwarmstedt. Schon Ende der 1920er Jahre hatte Betriebsgründer Dr. Wilhelm Heermann sich mit Heidelbeerzucht beschäftigt und eigene Sorten entwickelt. Es ist dieses Wissen, das sich die heutigen Betreiber bewahrt haben und auf das sie zurückgreifen können.
Der Hofladen von Heermanns Blaubeerland bietet konsequenter Weise ausschließlich Heidelbeerprodukte an. Klar, dass es zur Erntezeit die Beeren pur gibt, aber auch selbst hergestellte Konfitüre, Kompott und Gelee sowie Likör, Saft und Weine sind im Angebot – alles hergestellt aus den Beeren am Hof. Die Hofbesitzer lassen auch die Bienen über die Blüten fliegen und stellen Honig her. Die Heidelbeeren sind da zwar nicht herauszuschmecken, gibt Tabea Rauhut von Heermanns Blaubeerland zu, aber eine Rarität sei Heidelbeerhonig allemal.
Der Hofladen in Grethem ist für das Blaubeerland in der Erntesaison eine wichtige Einnahmequelle und Anlaufstelle – schließlich ist es schwierig, frische Heidelbeeren zu verschicken. Für die verarbeiteten Produkte jedoch kommt auch der ➔ Onlineshop ins Spiel, wo selbst aus Süddeutschland Bestellungen eingehen. Selberpflücken ist auf der Plantage möglich, das Hauptgeschäft ist jedoch der Verkauf frischer Heidelbeeren an den Lebensmittel-Einzelhandel. Wie bei allen anderen Motto-Hofläden gilt: Der Laden ist Teil eines Gesamtkonzepts.
Stranden in der Marmeladeninsel
Das ist auch so bei Anjas Marmeladeninsel, die Freunde von Fruchtaufstrichen bei Schneverdingen mitten in der Lüneburger Heide finden. Passenderweise liegt das kleine Lädchen in der Ortschaft Insel. Hier ist allerdings nicht das gesamte Hofkonzept auf Früchtevielfalt ausgelegt, sondern die Wesselohs betreiben klassische Landwirtschaft mit dem Schwerpunkt Schweinezucht.
Dennoch kommen viele Zutaten für die Marmeladen aus dem Garten von Anja Wesseloh, die Kreationen wie Holunder-Birne oder Erdbeer-Limette mit Minze im Angebot hat. Die Gläschen haben handliche Probiermengen, so dass die Kunden der Marmeladeninsel sich kreuz und quer durchs Angebot von Fruchtaufstrichen und Gelees probieren können.
Knorrige Wurzel für die Gesundheit
Anderswo in der Lüneburger Heide geht es wieder so ungewöhnlich exotisch zu wie auf der Chilifarm in Dannhorn: in Bockhorn bei Bad Fallingbostel.
Auf der dortigen „Florafarm“ nämlich hat sich Gesine Wischmann auf Ginseng spezialisiert. Auf dem Hof, der einst wie ein typischer Heidehof bewirtschaftet wurde, kultiviert die Geschäftsführerin mit ihrem Team die knorrigen hellen Wurzeln, die als Bestandteil von Kosmetika oder als Arzneimittel vermarktet werden. Entsprechend ist auch das Angebot im Hofladen überwiegend auf Kosmetik- oder Medizinprodukte ausgerichtet. Indes – das Ginseng-Bier kann man auch als reines Genuss-Produkt sehen.
„Uns ist bei unserem speziellen Produkt Ginseng wichtig, dass wir die Leute, die herkommen, auch beraten können“, sagt Martina Müller von der Florafarm. Der Hof sei auch aufgrund des dortigen Cafés ein Ausflugsziel, zudem würden Führungen angeboten – und bei diesen Gelegenheiten hätten die Gäste auch immer Lust, im Laden zu stöbern.
Mag dies auch eine willkürliche Auswahl von Motto-Hofläden sein, mag es in der Lüneburger Heide auch noch viele Hofläden mit gemischtem Angebot geben, die einen Besuch wert sind, so zeigt sich doch: An Kreativität und Engagement beim Erkunden neuer Geschäftsfelder mangelt es den Heidjern nicht. Und davon profitieren Einheimische und Gäste.
Service:
- Chilli Manufaktur Sacred Heart
Adresse: Dannhorn 5 a, 29614 Soltau
Öffnungszeiten des Hofladens:
Freitag 9.00 bis 20.00 Uhr; im Juli und August auch Samstag und Sonntag jeweils von 15.00 bis 18.00 Uhr.
Der Hofladen ist barrierefrei zu erreichen, einen Online-Shop gibt es unter ➔ www.die-chili-manufaktur.de - Kartoffel-Laden
Adresse: Ebstorfer Straße 1, 29576 Barum
Öffnungszeiten des Hofladens:
Montag bis Freitag 8.00 bis 17.00 Uhr, einen Online-Shop gibt es unter ➔ www.kartoffelvielfalt.de - Heermanns Blaubeerland
Adresse: Grethemer Hauptstraße 35, 29690 Grethem
Öffnungszeiten des Hofladens:
während der Saison, Juli bis Mitte September, täglich geöffnet, am Wochenende bis 18.30 Uhr. Einen Online-Shop gibt es unter ➔ www.blaubeergarten.de/shop/
Heidelbeerfest: 31.07.2016 - Anjas Marmeladeninsel
Adresse: Dannenbusch 8, 29640 Schneverdingen
Öffnungszeiten: einfach vorbeischauen; einen Online-Shop gibt es unter ➔ www.anjas-marmeladeninsel.de - Florafarm
Adresse: Bockhorn 1, 29664 Walsrode
Öffnungszeiten: Mai bis September immer montags bis samstags von 8.00 bis 18.00 Uhr, sonn- und feiertags von 14.00 bis 18.00 Uhr; Oktober bis April: montags bis freitags von 8.00 bis 18.00 Uhr, samstags von 9.00 bis 15.00 Uhr; einen Online-Shop gibt es unter ➔ www.florafarm.de.
Ginseng-Fest: alljährlich an Himmelfahrt; Weihnachtsmarkt: immer am dritten Adventswochenende
Über die Autorin Petra Reinken
Petra Reinken ist Journalistin, Autorin und Nachhaltigkeitsberaterin. Sie ist in der Lüneburger Heide aufgewachsen und lebt seit 2008 wieder in ihrer Geburtsstadt Soltau. Als Autorin hat sie die Reiseführer „99 Lieblingsorte in der Lüneburger Heide“ und „➔ 99 Lieblingsorte im Landkreis Rotenburg (Wümme)“ sowie das ➔ Lüneburger-Heide-Quiz geschrieben. Seit 2015 bietet sie Natur- und Landschaftsführungen an. Weitere Infos: ➔ www.wortwolf.de und ➔ www.soltauundumzu.de.
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